martes, 2 de junio de 2009

Wolfskind


Die Wölfin war meine Amme,

an ihrer Brust habe ich gelegen

und ihre Milch hat mich genährt

bis sie zu meiner Mutter geworden ist.


Ihre Töchter und Söhne sind meine Geschwister.

Ich aß mit ihnen das Fleisch der Lämmer,

die wir im Spiel erlegt haben.


Und ich stimmte ein in ihren Gesang

und sang mit ihnen das Lied der Lieder.


Groß und stark bin ich geworden,

scheu, beobachtend und willensfest,

zäh und immer hungrig.


Bei Vollmond treibt es mich hinaus in die Nacht,

nackt und ungewaschen streife ich durch die Wälder,

bade im Schnee

und folge dem Geruch,

der mir sagt, wo siche meine Sippe trifft.


Doch ich finde sie nicht mehr,

ich rieche sie nicht mehr

und ich weiß, der Mensch hat sie vertrieben.


Und ich stimme ein in ihren Gesang

und heule ohne sie das Lied der Lieder.


Doch als an Heilig Abend der Mond voll ist,

da treibt es mich hinaus.

Ich töte Hase, Reh und Kalb,

bohre meine Zähne in ihre Hälser,

schmecke das pulsierende Blut auf meiner Zunge,

heiß und salzig rinnt es meine Kehle hinab.


Und vor meinem tierischen Auge,

sehe ich meine Mutter die Wölfin

und meine Brüder und Schwestern

scharen sich um sie.


Im Rausche des frischen Blutes

Höre ich ihren Ruf.

Sie versammelt alle ihre Kinder,

ich verstehe ihren letzten Schrei

der von Wut und Racheglüst

herübergetragen wird.


Mein tierisches Auge

blickt in die andere Welt

Und antwortet ihrer gepeinigten Seele.


Und ich übernehme das Amt der Ämter,

ich trete das Erbe der Wölfe an.


Und als letzter Wolf dieser Erde

stimme ich ein in ihren Gesang

und singe mit ihnen das Lied der Lieder.


© 1996 by Christian Maier

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